Mit Thresholds verlässt zum ersten Mal ein deutscher Beitrag das in den Giardini gelegene monumentale und historisch belastete Gebäude des deutschen Pavillons. Dieser Schritt nach außen ist nicht nur ein Umgang mit der vermeintlichen Endgültigkeit der faschistischen Architektur des nationalsozialistischen Bauwerks, sondern gleichzeitig ein Zeichen gegen den nationalstaatlich aufgeladenen Garten der Biennale. Auf der Insel La Certosa wurde 1199 ein Augustinerkloster gegründet, 1424 wurden Kloster und Kirche an die Karthäuser von Florenz übergeben, die der Insel den Namen gaben. In der 1492 neu errichteten Kirche arbeiteten neben anderen Tizian und Tintoretto. Unter Napoleon mussten die Mönche die Insel verlassen. Es begann eine militärische Nutzung als Munitionsdepot, 1968 wurde die Kaserne geräumt. Die Klosterruine und die zahlreichen Bunker- und Wallanlagen erzählen bis heute von der wechselvollen sakralen und militärischen Geschichte der Insel.
Die Insel La Certosa bildet heute als öffentlich zugänglicher Park der Stadt Venedig eine Art Gegenpol zu dem ummauerten Territorium der sich präsentierenden Länder. Der zweite Ausstellungsort von Thresholds tritt somit in einen kritischen Dialog mit dem Pavillon und den Giardini. Der Monumentalität des Baus wird das immaterielle Medium Sound entgegengesetzt. Die Bewegung aus dem Gebäude verursacht, retrospektiv betrachtet, eine Resonanz, die von La Certosa in Richtung Pavillon zurückhallt, wodurch der Schritt heraus zu einem Schritt hinein wird. Das Länderkonstrukt in den Giardini und auch der Pavillon selbst werden in diesem Zusammenhang auf subtile Art und Weise dekonstruiert. Die Beiträge auf La Certosa fordern unser Bewusstsein für die Gegenwart und die uns umgebende Umwelt heraus, indem sie neue Erfahrungsräume öffnen und Aufmerksamkeit für beim ersten Hinhören banal erscheinende akustische Alltagsphänomene generieren. Der Lärm eines Schiffs, der Wind in den Bäumen, das Rufen spielender Kinder, das Rauschen der Wellen, Vögel, die zwitschern und zwischendrin irritierende und zeitgleich harmonisch erscheinende Kompositionen, die Bewegung leiten und unsere Art des Zuhörens hinterfragen. Die Vision einer gemeinsamen Zukunft fängt hier an: dort, wo wir lernen, unserer fragilen und verwundeten Umwelt, uns selbst und einander zuzuhören.