Yael Bartana
Light To The Nations, 2022-2024
In einem Akt der Erlösung transportiert das Generationenschiff Light To The Nations (Licht der Völker) Menschen zu neuen Galaxien und Planeten. Benannt nach einer Passage aus dem Buch Jesaja, der Verheißung eines Auswegs, steht es angesichts der menschengemachten ökologischen und politischen Zerstörung des Planeten Erde im Dienste der Menschheit. Die Ausmaße des Generationenschiffs ermöglichen ein kontrolliertes Bevölkerungswachstum, das das Überleben künftiger Generationen sichert. Diese Reise mit offenem Ausgang wird sich über Äonen hinziehen und gleichermaßen utopische und dystopische Elemente enthalten.
Den Rahmen für die Arbeit von Yael Bartana, der Erfinderin des Schiffs, bildet die jüdische Mystik, die Kabbala. Bartana überlagert die Struktur des Raumschiffs mit dem Sephiroth-Diagramm, dem zentralen Bild der Kabbala. Die zehn Sephiroth verwandeln sich in die Sphären des Schiffes, die als Cluster für verschiedene Funktionen konzipiert sind, darunter Schiffshauptquartier, Weltraumforschung, Technik, medizinisches Zentrum, Lernzentren, Landwirtschaft, kulturelles Erbe, öffentlicher Bereich, Wohnbereich und Recycling. Die Sephiroth enthalten alle Facetten Gottes und symbolisieren die Vorstellung von Gott als En Sof − als Ewigkeit, die auf der Reise des Generationenschiffs dem endlosen Weltraum entspricht.
Indem Bartana imaginäre Technologien mit mystischen Lehren überlagert, nutzt sie das Schiff als Vehikel der Erlösung, analog zur Merkaba, dem kabbalistischen Wagen, mit dem sich der Mystiker dem Thron Gottes nähert. Die Reise des Raumschiffs in Richtung eines utopischen Ideals bezieht sich auf das zentrale messianische Versprechen einer besseren Zukunft und auf das Tikkun Olam, ein weiteres kabbalistisches Konzept, das die Wiederherstellung der Welt beinhaltet. Ohne die Anwesenheit von Menschen, die sie zerstören, kann sich die Erde erholen, und ohne die auf dem Land herrschenden Einschränkungen können auf dem Schiff neue Gesellschaftsformen entworfen werden.
Light To The Nations basiert zwar auf jüdischen Traditionen, aber das Vorhaben als Ganzes geht über religiöse, ethnische, nationale, staatliche und Stammesgrenzen hinaus. Es bietet der gesamten Menschheit eine Zukunft, weiß aber zugleich um eine gewisse Hybris, die sich aus dem biblischen Bezug ergibt. Das Raumschiff lässt die traditionellen Vorstellungen von Raum, Land und der Erdverbundenheit des Menschen hinter sich, es trotzt der Gravitation und dem menschlichen Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Es dient als Symbol der Erlösung und als physische Verkörperung neuer gesellschaftlicher Strukturen und definiert die Beziehung der Menschheit zu ihren irdischen und territorialen Ursprüngen neu. Ein Leuchtfeuer der Hoffnung und Innovation, dient das Generationenschiff als Blaupause für den potenziellen Bau weiterer Raumschiffe und lädt, solange die Erde heilt, die Menschheit ein, sich kollektiv auf Reisen zu begeben.
Light To The Nations – Generation Ship
3D-Modell
Life in the Generation Ship
3D-Renderings für Kuppelprojektion, 21 Minuten
The Generation Ship Topography
Kreidezeichnungen
Doreet LeVitte Harten, Interview
Einkanal-Video, 11.30 Minuten
Farewell
Einkanal-Video- und Klanginstallation, 15.20 Minuten
Farewell (Lebewohl) stellt eine Zeremonie dar, die der Abfahrt des Raumschiffs Light To The Nations zu fernen Galaxien vorausgeht. Kurz vor einer Reise, die die Grenzen von Zeit und Raum transzendiert, dient die Zeremonie dazu, diese Loslösung von der Erde zu feiern.
In Farewell gleiten die Tänzerinnen und Tänzer mit ihren ätherischen Bewegungen durch den Grenzbereich zwischen unserer Welt und dem Unbekannten und strahlen dabei ein Gefühl der Sehnsucht und Vorfreude aus. Als Sylphen gekleidet sind sie ein spielerischer Verweis an den Geist der Romantik, der die Transformation des Menschen und das Übernatürliche erkundete.
Yael Bartana greift auch auf die Labanotation zurück, ein System, das der Choreograf Rudolf von Laban im frühen zwanzigsten Jahrhundert entwickelte. Laban pflegte einen Stil des Ausdruckstanzes, der kollektive und rituelle Bewegungen in einer Weise verbindet, die sich auch in Bartanas Auseinandersetzung mit sozialen Themen widerspiegelt.
Im Verlauf des Videos trägt die Kameralinse der Choreografin den Betrachter über die Grenzen der Erde hinaus in die unermesslichen Weiten des Weltraums, wo das Raumschiff Light To The Nations in der kosmischen Leere schwebt. Das Schiff entpuppt sich als messianisches Vehikel, als Verheißung der Erlösung, und die Tänzer und Tänzerinnen spiegeln seine kinetische Bewegung ebenso wider wie das menschliche Streben, das sich dahinter verbirgt.
Auf dem Höhepunkt der Zeremonie setzen die Tänzer Tiermasken auf − ein Pferd, ein Esel, ein Widder. Sie beschwören apokalyptische Bilder herauf und stellen Verbindungen zu dem jüdisch-christlichen, messianischen Narrativ her, das sich durch Bartanas Werk zieht. Als Pre-enactment eines ekstatischen Tanzes wird Farewell zu einer instinktiven Erkundung heraufziehender Katastrophe und Hoffnung.
Die Waldkulisse spiegelt das Gebot von Light To The Nations wider, der Natur eine Chance zur Verjüngung zu geben. Die Zeremonie markiert den Abschied der Menschheit von der Erde und ihre Reise zur Erlösung. Sie unterstreicht den engen Zusammenhang von Utopie und Katastrophe. Farewell stellt einen Aufbruch in eine der Menschheit noch unbekannte Realität dar.
Team
Sounddesign und Musik: Daniel Meir
Lichtdesign: Matthias Singer
Konzept Ausstellungsdesign: Oren Sagiv
Technische Koordination: Richard Gabriel Gersch
Ausstellungsproduktion: Adi Nachman
Projektberatung: Shelley Harten
Light to the Nations – Generation Ship, 2024
3D-Modell
Architekt: Assaf Kimmel
Fertigung: Saygel, Schreiber & Gioberti
Farewell, 2024
Einkanal-Video, 15.20 Minuten
Regie: Yael Bartana
Kamera: Simon Veroneg
Choreografie: Mor Bashan
Regieassistenz: Livnat Sela
Tänzer:innen: Alexander Abdukarimov, Ksenia Ovsyannik, Oleksandr Shpak, Federico Spallitta, Shade Theret, Maja Zimmerlin
Kostüm: Marie von Federlin
Styling: Bert Kietzerow
Schnitt: Daphna Keenan, Yael Bartana
Sounddesign: Daniel Meir
Farbkorrektur: Simon Veroneg
Produktion Animation: Achtung4k Studio
Make-Up-Assistenz: Guerdy Casimir
Erster Kameraassistent: Matthias Börner
Zweiter Kameraassistent: Sky Müller
B-Kameramann: Hannes Engler
Beleuchtung: Tarek Shayne Tabet
Elektriker: Tim Bornhöft
LED-Drone: upup.berlin
LED-Dronenpilot: Maximilian Raschke
LED-Dronenbedienung: Ferenc Bodor
LED-Dronentechniker: Sebastian Simon
Fahrer: Karl Behrendt
Producer: Richard Gabriel Gersch
Junior Producer: Carlotta Cornehl
The Generation Ship Topography, 2024
Kreidezeichnungen: Guy Saggee – Shual Studio
Farewell Poster, 2024
Posterdesign: Avi Bohbot and Gila Kaplan
Posterdruck: Grafiche Leone
Doreet LeVitte-Harten, Interview, 2024
Einkanal-Video, 11.30 Minuten
Regie: Yael Bartana Kamera: Simon Veroneg
Tonaufnahme: Sky Müller
Schnitt: Daphna Keenan, Yael Bartana
Produktion Animation: Achtung4k Studio
Übersetzung und Untertitel: Noa Shuval
Monolith-Design: Assaf Kimmel
Monolith-Herstellung: Falegnameria Calzavara
Life In The Generation Ship, 2024
3D-Rendering für Kuppelprojektion, 21 Minuten
Sphärendesign: High Road Stories, Assaf Kimmel
Design Sitzbereich: Assaf Kimmel
Möbelproduktion: Mingardo
Technikpartner: Eidotech GmbH, Berlin
Bartana Studio
Gilad BenDavid, Richard Gabriel Gersch, Adi Nachman, Saskia Wendland
Deutscher
Pavillon
La
Certosa